Interview: Kommunikationserfolg messen ist eine Herausforderung in ganz Europa

By: Rebecca Hadler / 30.01.2017

In der ersten Ausgabe des internationalen Journals “Corporate Communications” 2017 berichten Ansgar Zerfass, Dejan Verčič and Sophia Charlotte Volk über den Status Quo der Evaluation von Kommunikation und Messmethoden in Kommunikationsabteilungen von Unternehmen, Non-Profit-Kommunikationen und anderen Organisationen im europaweiten Vergleich. Im Interview mit communicationcontrolling.de skizziert und reflektiert Co-Autorin Sophia Charlotte Volk Erkenntnisse sowie praktische Bedeutung der Studie. Sie schildert darüber hinaus Reaktionen auf die Präsentation der Ergebnisse auf der International Public Relations Research Conference (IPRRC) 2016 im Miami (USA).

communicationcontrolling.de: Worum geht es in der Studie?

Sophia Charlotte Volk: Es gibt seit Jahren andauernde Diskussionen darüber, wie Kommunikation die Erreichung von Organisationszielen unterstützt, und es ist z.B. im Rahmen der Kommunikationscontrolling-Debatte viel darüber geschrieben worden. Es ist jedoch wenig darüber bekannt, wie Evaluation und Erfolgsmessung tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden. Frühere Studien haben gezeigt, dass Evaluation meist auf die Output-Ebene beschränkt bleibt, z.B. durch die Auswertung von Pressespiegeln und Besucherzahlen auf Webseiten oder bei Events. Es wird oft ignoriert, wie Kommunikation übergeordnete Organisationsziele beeinflusst. Grund könnte ein Mangel an Umsetzungswissen sein. Unsere Kernüberlegung ist, dass Kompetenzen und Methodenwissen eine entscheidende Voraussetzung sind, um Kommunikationserfolg glaubhaft zu belegen. Wenn Praktiker nicht wissen, wie man misst, wie sollen sie dann valide Daten erheben? Die Kompetenzen von Kommunikationsverantwortlichen zu betrachten, ist der innovative Teil der Studie. Über 1.600 Kommunikatoren, die in Organisationen in ganz Europa tätig sind, nahmen an der Umfrage teil. Gefragt wurde, welche Kenntnisse über Evaluation und Erfolgsmessung vorhanden sind, welche Methoden angewendet werden und wie Organisationen die erhobenen Messdaten nutzen.

cc.de: Warum wurde die International Public Relations Research Conference (IPRRC) in Miami gewählt, um die Ergebnisse zu präsentieren?

Volk: Die IPRRC ist einer der besten Orte, um neue Ergebnisse im Forschungsfeld PR zu präsentieren und sich mit Wissenschaftlern und Kommunikationspraktikern auszutauschen. Die IPRRC hat ein einmaliges Präsentationsformat mit Round Tables, an denen zehn bis zwanzig Teilnehmer die vorgestellten Ergebnisse miteinander intensiv diskutieren. Das ermöglicht direktes Feedback und gute Diskussionen. Außerdem ist die IPRRC eine hervorragende Plattform für den Gedankenaustausch mit Kommunikationspraktikern und die Diffusion von Wissen zwischen Forschung und Praxis.

cc.de: Was sind die Haupterkenntnisse hinsichtlich der Evaluationskompetenzen von Kommunikationspraktikern?

Volk: Unsere Studie zeigt, dass die befragten Praktiker solide Kenntnisse in den Bereichen der Dateninterpretation, in der Umsetzung von Umfragen und Inhaltsanalysen oder Social Media Analytics haben. Aber nur eine Minderheit schätzt ihre Kompetenz als hoch ein, wenn es um die Berechnung von Reputations- oder Markenwerten oder die Erstellung einer Communication Scorecard geht. Genau diese Fähigkeiten sind jedoch notwendig, um den Erfolg von Kommunikationsaktivitäten zu beweisen.   
Eine andere Erkenntnis betrifft die signifikant unterschiedlichen Kompetenzniveaus in verschiedenen Organisationstypen. Vermutlich ist der Druck, den Erfolg von Kommunikation zu dokumentieren, in börsennotierten Unternehmen größer als im öffentlichen Dienst oder in Nicht-Regierungsorganisationen. Um diesen Zustand zu überwinden, müssen die Evaluations-Fähigkeiten der Praktiker durch Fortbildung und Training verbessert werden.

cc.de: Welche Methoden werden in den Organisationen angewandt?

Volk: Europaweit basiert Erfolgsmessung immer noch stark auf der Evaluation von Outputs: 83 Prozent der Organisationen erstellen Pressespiegel und 69 Prozent tracken die Internetnutzung. Nur 36 Prozent der befragten Organisationen messen, wie Kommunikation auf die materiellen und immateriellen Vermögenswerte der Organisation einzahlt. Wenn aber die investierten Kosten (Input) und der Einfluss auf Organisationsziele (Outflow) nicht gemessen werden, ist es schwierig, die Effektivität und Effizienz von Kommunikation glaubhaft zu belegen. Erfolgsmessung muss alle relevanten Phasen des Kommunikationsprozesses berücksichtigen.

cc.de: Wie fiel die Resonanz auf den Beitrag auf der Konferenz aus?

Volk: Sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker zeigten großes Interesse an dem Thema, weil es andauernde Diskussionen darüber gibt und unsere Erkenntnisse viele frühere Studien aus anderen Regionen der Welt widerspiegeln. Es gibt eine Vielzahl von Evaluations- und Wirkungsmodellen und alle verwenden unterschiedliche Begriffe, darunter Input, Output, Outtake, Outflow, Outgrowth, Effect, Result oder Impact. Dazu existiert eine noch größere Bandbreite an Kennzahlen und Methoden für die Evaluation verschiedener Wirkungsphasen. Der DPRG/ICV-Bezugsrahmen ist nur einer von vielen Ansätzen. Er ist in die Evaluationsstufen Input, Output, Outcome und Outflow gegliedert. Letztere entspricht der finalen Stufe „Impact“ oder „Organizational Outcome“ bei anderen Modellen. Der deutsche Bezugsrahmen bildet im Vergleich zu anderen Modellen den Einfluss von Kommunikation entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses der Organisation ab; hierfür werden Konzepte aus Management-, Accounting- und Kommunikationstheorie miteinander verknüpft.    
Insgesamt hat der Bezugsrahmen wenig Aufmerksamkeit außerhalb des deutschsprachigen Raums erhalten. Allerdings haben einige führende Experten, z.B. Fraser Likely und Tom Watson, den Rahmen als ein „encouraging effort“ bezeichnet. Betrachtet man die verschiedenen Modelle, zeigt sich die Notwendigkeit, ein standardisiertes Modell und eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, um Kommunikationseffekte konsistenter erklären zu können. Deswegen wurde 2015 die Task Force on Standardization of Multi-Stage PR Measurement Models gegründet, um sich diesem Anliegen zu widmen.

cc.de: Hat die Konferenz neue Gedanken und Ansätze hervorgebracht?

Volk: In den Diskussionen während der Konferenz wurde zum einen über die Relevanz von regelmäßigen Trainings und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Erfolgsmessung diskutiert, zum anderen über die Notwendigkeit, anspruchsvolle Bewertungsmethoden und Managementkonzepte wie Scorecards stärker für die Kommunikationspraxis zu adaptieren. Sollten Universitäten und Bildungseinrichtungen zukünftige Kommunikationspraktiker dazu ausbilden, spezifische Methoden anwenden zu können? Oder sollen sie Studierenden einen umfassenden Gesamtüberblick über das Portfolio an Messmethoden vermitteln, da sich die Instrumente eh so schnell verändern?   
Die Konferenz zeigte wieder einmal, dass es einen Mangel an Standards gibt trotz der Bemühungen der Branchenorganisationen wie der internationalen Association for the Measurement and Evaluation of Communication (AMEC) und der Institute of Public Relations (IPR) Measurement Commission oder gemeinsamen Anstrengungen der PR-Branche und der Wissenschaft.

cc.de: Warum wurde die Arbeit als eine der besten Einreichungen ausgezeichnet?

Volk: Unsere Forschung zeigt unmittelbare und praktische Auswirkungen für PR-Praktiker und die Branche auf. Wir argumentieren, dass die Herausforderung dreidimensional ist: Erstens müssen Kommunikatoren über adäquate Evaluationskompetenzen verfügen; zweitens müssen sie die Erfolgsmessung auf alle relevanten Phasen des Kommunikationsprozesses richten; und drittens müssen sie Messdaten für die Planung zukünftiger Kommunikationsmaßnahmen strategisch nutzen. Unsere Arbeit stellt einige Ansatzpunkte zur Verbesserung heraus: kontinuierliche Weiterbildung, Berücksichtigung aller Wirkungsstufen, strategisches Einspeisen von Messdaten und die Entwicklung von Standards.

cc.de: Bietet die Studie interessante Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschung? Welche nächsten Schritte stehen an?

Volk: Wir fragen uns, welche weiteren Barrieren im Bereich Erfolgsmessung existieren, z.B. fehlende Budgets, fehlende Zeit, mangelnde Unterstützung durch das Top Management oder fehlender Druck, den Wertbeitrag aufzuzeigen. Eine weitere interessante Forschungsfrage ist, wie Kommunikationsverantwortliche gegenüber dem Top Management den Wert von Kommunikation erklären – insbesondere, wenn sie in erster Linie Output messen und nicht Outflow? Und: Was erwarten CEOs im Gegenzug?   
Die internationale Task Force on Standardization of Multi-Stage PR Measurement Models thematisiert einige der genannten Aspekte und untersucht die Anwendung von Standardmodellen und die Rolle der Branchenverbände.    
Wir streben fürs Erste an, ein ganzheitlicheres Verständnis für den Wertbeitrag von Kommunikation zu erzielen, unter Berücksichtigung von Kommunikations- und Managementtheorie. Die Wissenschaft sollte sich stärker der Grundsatzfrage widmen, wie Kommunikation zur Umsatzgenerierung, z.B. durch Reputationsaufbau, aber auch zur Kostenreduktion beiträgt, z.B. durch Krisenprävention.

cc.de: Welche Ergebnisse hoffen Sie auf der IPRRC im Jahr 2021 präsentieren zu können?

Volk: Sollten wir bis 2021 eine Folge-Studie durchführen, würden wir gerne Daten präsentieren, die einen Anstieg des Kompetenzniveaus über die Jahre hinweg zeigen. Es wäre zu erwarten, dass die Implementierung von Messmethoden entlang aller relevanten Phasen des Kommunikationsprozesses zunimmt. Messdaten und speziell Big Data-Analysen sollten stärker zu strategischen Zwecken in den Managementprozess integriert werden, um zukünftige Kommunikationsmaßnahmen besser steuern zu können. Hinsichtlich der Task Force wäre es wünschenswert, einen neuen, standardisierten Bezugsrahmen zu verabschieden, der die Gesamtheit von Kommunikationswirkungen abbildet und konsistente Begriffe und Kennzahlen vorschlägt.


Über Sophia Charlotte Volk

Sophia Charlotte Volk arbeitet seit Oktober 2015 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strategische Kommunikation und ist Projektleiterin im Forschungsprogramm „Value Creating Communication“ der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung und Kommunikation. In ihrer Dissertation erforscht sie den State of the Art der komparativen Kommunikationsforschung mit der Zielstellung, Qualitätsstandards für die komparative Kommunikationsforschung zu entwickeln. Weitere Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Wertschöpfung durch Kommunikation, Kommunikationssteuerung und Evaluation. Volk ist Mitglied der internationalen Task Force on Standardization of Multi-Stage PR Measurement Models.

Literaturangabe:
Zerfaß, A., Verčič, D., & Volk, S. C. (2017). Communication Evaluation and Measurement: Skills, Practices and Utilization in European Organizations. Corporate Communications – An International Journal, 22 (1).   

Der Artikel ist hier zu finden.


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