Thought Leaders Interview: Fraser Likely

By: Anika Müller / 17.07.2013

Diese Woche steht uns Fraser Likely für die Interview-Reihe „Thought Leaders in PR Measurement“ Rede und Antwort. Seit 25 Jahren beschäftigt sich der Geschäftsführer der Kommunikationsberatung Likely Communication Strategies aus Ontario/Kanada mit Kommunikations-Controlling. Hier erläutert er, welche Ebenen bei der Steuerung und Messung von Kommunikation seiner Meinung nach unterschieden werden sollten, und welche Faktoren den Wert einer PR-Abteilung schlussendlich ausmachen.

communicationcontrolling.de: Herr Likely, wann haben Sie angefangen, sich mit Steuerung und Evaluation von Kommunikation zu beschäftigen und warum interessiert Sie gerade dieses Thema?

Fraser Likely: Als wir unsere Firma vor über 25 Jahren gründeten, gehörten Leistungsmanagement und -steuerung von Beginn an zu unseren Geschäftszweigen. Unser Fokus lag auf dem Management der PR- bzw. Kommunikationsfunktion im Unternehmen. Da war es klar, auch anzubieten, diese Leistung zu managen und zu messen. Beispielsweise haben wir uns darauf spezialisiert, Bezugsrahmen zur Messung von Leistungen zu erstellen. Nur auf die Messung von Kommunikation per sé haben wir uns nie konzentriert, wohl aber auf die Leistung von Public Relations und Kommunikation. Dabei wurde ich maßgeblich durch die Arbeit von Jim Grunig, von Grunig und seinen Partnern im „Excellence-Projekt“, vom schwedischen PR-Berufsverband, und natürlich von der Arbeit bei Ihnen in Deutschland mit dem Konzept des Kommunikation-Controllings beeinflusst. Ich wurde das erste Mal 2001 in die „International Commission on PR Measurement“ des Instituts für Public Relations gewählt. Als Mitglied dieses Arbeitskreises fühlt es sich so an, als sei man im Zentrum des Universums. Hier wurden die großen Entdeckungen gemacht und neue Konzepte entwickelt. Zu sehen, wie diese Denkleistungen vollbracht wurden, verstärkt mein Interesse am Thema Kommunikations-Controlling.

Das vorliegende Interview ist Teil unserer zwölfteiligen Interviewreihe "Thought Leaders in PR Measurement". In dieser berichten Menschen, die die internationale Diskussion im Bereich Kommunikations-Controlling auf den Weg gebracht und in verschiedenen Phasen geprägt haben über ihre persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen.

cc.de: Warum sind Sie der Ansicht, dass Kommunikations-Controlling heutzutage für Organisationen essentiell ist?

Likely: Hier würde ich gern zwischen der Messung von Kommunikation und der Leistungsmessung der PR-/Kommunikationsfunktion unterscheiden. Die Messung der Kommunikation ist nur ein Aspekt – wenn auch ein wichtiger – der Leistungsmessung der gesamten PR-/Kommunikationsfunktion. Unter Kommunikationsmessung verstehe ich die Messung von Kommunikationskanälen und Nachrichten oder Output- und Outtake-Messungen und als zweites die Messung von Kommunikationsprogrammen und -kampagnen, oder Outcome-Messungen. Der zweite Aspekt beim Messen von PR-Leistungen ist die Messung des Einflusses auf die Organisation. Das ist die Messung der Organisationsreputation, Marken, Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und der Beziehungen mit Stakeholdern auf der Organisationsebene – und der Beitrag, den PR/Kommunikationsaktivitäten und -programme an diesen Faktoren haben. Der dritte Aspekt der Messung ist schließlich die strategische Leistung der PR- bzw. Kommunikationsabteilung: Welchen Beitrag hat die PR zum strategischen Management der Organisation geleistet? Oder in anderen Worten, welchen Wert hat die PR für die Organisation.Ich glaube, die Steuerung und Messung ist auf allen drei Ebenen essentiell, gleichzeitig soll es sowohl effektiv als auch kosteneffizient sein. Obwohl ich zustimme, dass die letzten Jahre besonders über die Messung von Kommunikation nachgedacht wurde – besonders über Standards – glaube ich, dass die Messergebnisse der anderen beiden Aspekte letztlich wichtiger für das Management einer Organisation sind.

cc.de: Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse und Wendepunkte bei der Beschäftigung mit dem Themenfeld Kommunikations-Controlling?

Likely: Zunächst die Erkenntnis, dass Medienforschung – im Sinne der Messung der Medienwirksamkeit oder Medienanalysen – zwar wichtig für die PR- und die Marketing-Abteilung sein müssen. Die Ergebnisse dieser Messungen wie Reichweite, Auflage oder Durchschnittskontakte; Tonalität, Share Of Voice, 1000-Kontakt-Preis, etc. haben aber nur wenig Bedeutung für den CEO und die gesamte Unternehmensleitung. Die Anbieter solcher Dienstleistungen präsentieren ihre Ergebnisse selten, wenn überhaupt, direkt dem Management. Und dem Chief Communication Officer (CCO) gelingt es kaum, seine Management-Kollegen mit der Auswertung der letzten Medienanalyse zu begeistern. Obwohl ich die erhebliche Arbeit zur Vereinbarung von Standards in der Medienforschung befürworte, ist dieser Teilbereich bei der  Messung von Kommunikation nicht mehr so wichtig wie zu den Zeiten, als die Evaluation der Massenmedien nahezu das Bedeutendste für die PR-Abteilung war. Mit anderen Worten: Herkömmliche Medienevaluation ist heute nicht mehr so wichtig – und es sollte nicht die Zeit, Bemühungen und Ressourcen in Anspruch nehmen, die es tut. Eine zweite Erkenntnis war, dass die Messung von Social Media als eine Form der formativen und nicht als evaluative Forschung betrachtet werden sollte. Sprich, sie sollte zur Beobachtung der Umwelt dienen, und nicht Bestandteil eines Programmes sein, was Kommunikationsergebnisse evaluiert. Es liegt einfach in der Natur der Sache, dass es unmöglich ist, Ursache und Wirkung durch Social-Media-Kanäle aufzuzeigen. Meiner Meinung nach wird man trotz all der wundervollen Tools zur Datenauswertung und möglichen Algorithmen niemals fähig sein, einen Kausalzusammenhang zwischen der Kommunikation und Organisationszielen durch Social-Media-Kanäle darzustellen. Besser ist es, Social-Media-Analysen für Vorhersagen zu nutzen, als zu versuchen, es zur verzögerten Ergebnismessung einzusetzen.

cc.de: In der internationalen Forschung bestehen immer noch große Diskrepanzen zwischen der Wichtigkeit und der tatsächlichen praktischen Umsetzung von Kommunikations-Controlling. Auch wenn dies kontinuierlich bemängelt wird, scheint sich nichts zu ändern. Glauben Sie, dass es eine Lösung für dieses Dilemma gibt?

Likely: Ja, die meiste Forschung auf dem Gebiet des internationalen Kommunikations-Controllings findet im Bereich der traditionellen Medienmessung und Social-Media-Messung statt – und wird durch Mediaanalyse-Agenturen, Agenturen zur Kommunikationsforschung und PR-Agenturen getrieben. Es liegt in deren Interesse, alles daraus zu holen. Kommunikationsmanager und deren Mitarbeiter haben scheinbar jedoch die Erkenntnis gewonnen, dass die Führungsebene kein Interesse an diesen Messdaten zeigt – und noch wichtiger, auch nicht sollte. Diese Messungen sind für die Kommunikationsabteilung wichtig, da sie die Effektivität und Kosteneffizienz von Botschaften, Kanälen und Kampagnentaktiken zeigen. Warum würde die Geschäftsführung einer Organisation an Taktiken interessiert sein? Vor Jahren zeigte  Peter Ducker – der sogenannte “Mr. Management Guru“, falls es solch einen Titel gibt – die Informationen auf, die die Führungskräfte wirklich benötigen: (1) Basisinformationen – beispielsweise wie die PR-Abteilung personell ausgestattet ist? Woher kommt das Budget? Wie wird das Budget ausgegeben? (2) Informationen zur Leistungsfähigkeit – Warum haben zum Beispiel einige Produkte, Services oder Aktivitäten der PR-Abteilung eine hohe Produktivität, andere eine geringe? Können weitere Leistungspotenziale gefunden werden? Ist der Arbeitseinsatz nach dem Gesetz von „Economies of Sale“ skalierbar, oder nicht? Können wir mehr Wert aus einer Abteilung herausholen, und das bei gleichen Kosten? (3) Informationen zu Kompetenzen: Was sind die Kernkompetenzen der Abteilung? Sind weniger wichtige Fähigkeiten ausgelagert oder noch im Betrieb? Wie hoch ist das Level an Innovationen? Wie zufrieden ist die Führungsebene mit dem strategischem Denken und Beratung? (4) Informationen zur Ressourcenverteilung: Wie verteilt die Abteilung knappe Ressourcen? Nach organisatorischen Prioritäten oder nicht? Nach den Strategien der Geschäftsbereiche? Wie ist das Verhältnis von Spezialisten vs. Generalisten?  Und sind noch immer Altsysteme vorhanden, für die es aktuell keine Verwendung gibt? Was sagen uns die Kosten von Mehrarbeit? Und (5) Informationen zum Umfeld: Liefert der CCO nützliche Informationen zum Prozess der Strategieerarbeitung? Warnt der CCO vor, wenn Strategien nicht funktionieren  - weil er diese Erfahrungen bereits gemacht hat? Trägt der CCO zum Prozess der Strategieerarbeitung bei, indem er währenddessen die strategische Richtung neu reformiert oder anpasst? Verfügt der CCO über ein externes und internes Beoachtungssystem? Spielt der CCO, ausgestattet mit Daten, eine Schlüsselrolle? Stellt der CCO Annahmen und die derzeitigen Aussichten der Organisation in Frage? Für mich scheint es so, dass die Inhalte dieser fünf Kategorien die Führungsebene mit Informationen der operativen und strategischen Ressourcen der Abteilung versorgt und sich das besser bewährt, als es Informationen von Medienanalysen jemals könnten.

cc.de: Sind Sie der Ansicht, dass es möglich ist, internationale Standards zu entwickeln, die die Verbindung von Kommunikation und Organisationszielen und die Evaluation von Kommunikationsaktivitäten ermöglichen? Was sind die Vor- und Nachteile und wer könnte von solchen Initiativen profitieren?

Likely: Letztes Jahr habe ich einen Beitrag zum Thema „Return on Investment“ (ROI) geschrieben. Zunächst habe ich dargelegt, dass der Begriff innerhalb der PR/Kommunikation nicht korrekt verwendet wird. ROI kann nur auf der Ebene der Organisation selbst gemessen werden – nachdem alle Ausgaben kalkuliert wurden und der Ertrag für die Organisation als Ganzes bestimmt wurde. Daher gibt es nicht so etwas wie eine ROI-Messung für PR-Aktivitäten, eine PR-Kampagne, oder einen Social-Media-Kanal. Wir sollten ROI deswegen in unserem PR-Vokabular auslassen. Der Begriff, den wir nutzen können, ist Cost-Effectiveness Analysis (CEA). Dabei können wir die Wirksamkeit in Abhängigkeit von den Kosten der Kanäle und Aktivitäten, die wir nutzen, messen. Mein zweiter Punkt ist, dass die PR mit einer Kommunikationskampagne oder -programm einen Beitrag leistet, dass wiederum eine andere Unternehmensfunktion ihre Ziele erfüllen kann. Zum Beispiel unterstützt die PR die HR-Abteilung dabei, Mitarbeiter einzustellen oder das Marketing beim Verkauf – und kein Organisationsziel direkt, zum Beispiel bestimmte Erträge oder Kosteneinsparungen. Kommunikation fungiert als eine Stütze, um Teilziele zu erreichen. Deswegen können wir sie mit den Zielen anderer Funktionen verbinden, mit Unternehmenszielen an sich aber nicht. Zusammengefasst: Die Kommunikation lässt sich nicht mit Organisationszielen verknüpfen, und auch ROI ist nicht der richtige Weg.

cc.de: Was ist Ihrer Ansicht nach in Zukunft die größte Herausforderung für das Kommunikations-Controlling?

Likely: Ich glaube, es wird in Zukunft die größte Herausforderung sein, den Wert der PR- /Kommunikationsfunktion innerhalb der Organisation zu messen und darzustellen – und nicht nur einfach die Ergebnisse der Kommunikationsaktivitäten. Derzeitiges Kommunikations-Controlling, besonders das, was sich auf traditionelle Mediananalysen oder Social-Media-Analysen konzentriert, misst keine Größen rund um die Qualität von Maßnahmen, strategischem Denken, Szenario-Vorwarnungen, Handlungsempfehlungen, Beziehungen mit internen Kunden und wie gut ein Management ist – und kann dies auch nicht. Das sind alles Faktoren, auf die der „Wert” der PR-Abteilung bei einer Messung aufbaut.

cc.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Über Fraiser Likely

Fraser Likely ist Partner und Geschäftsführer von Likely Communication Strategies, einer unabhängigen Kommunikationsberatung, die 1987 gegründet wurde. Er arbeitete bereits mit mehreren hundert Organisationen in Ottawa (Kanada) zusammen, um das strategische Management, die Strukturierung, Leistungen und Kompetenzen derer PR- und Kommunikationsabteilung zu verbessern. Fraser ist Autor einer Vielzahl von Fachartikeln zum Thema Kommunikations-Controlling, die unter anderem in den Magazinen „Strategic Communication Management“, „PR Journal“, dem „Journal of Corporate Communications“ sowie weiteren Fachpublikationen erschienen sind. Er wurde mehrfach ausgezeichnet für seine praktische Arbeit im Themenfeld der Public Relations und besitzt einen Master-Abschluss der Carleton Universität, Ottawa (Kanada).

Literaturtipps

Die englische Fassung des Interviews mit Fraser Likely finden Sie hier.


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