Strategiebezug/Wertschöpfung
Investitionen in Kommunikation lassen sich nur dann rechtfertigen, wenn sie sich kurz- oder langfristig im Zielsystem des jeweiligen Unternehmens niederschlagen. Die überzeugende Beantwortung dieser Frage ist von existenzieller Bedeutung, insbesondere dann, wenn der Stellenwert der PR zunimmt und die Budgets steigen.
Verknüpfung von Unternehmensstrategie und Kommunikation
Erfolgreiche Kommunikation muss konsequent an der Unternehmenstrategie ausgerichtet werden und einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten (Steyn 2007, Zerfaß 2007 und 2004, Bentele/Nothhaft 2007, Will 2007, Grunig et al. 2007, Argenti 2006). Damit dies kein allgemeines Lippenbekenntnis bleibt, sind mehrdimensionale Methoden für die Steuerung und Kontrolle der Kommunikationsstrategie notwendig. Darüber hinaus muss die auf diese Weise erzielte Wertsteigerung des Unternehmens nachgewiesen werden. Dazu dient die Bewertung von kommunikativ geschaffenem Kapital wie Marken, Unternehmenskultur und Reputation.
Controlling der Kommunikationsstrategie
Ausgangspunkt der Wertschöpfung ist die Festlegung, welche Werte eine spezifische Organisation steigern soll. In der Wirtschaft gilt gemeinhin der Shareholder Value, der bei börsennotierten Gesellschaften als Marktkapitalisierung aller ausgegebenen Aktien berechnet werden kann, als Maßstab. Die einseitige Ausrichtung an ökonomischen Werten reicht jedoch nicht aus, da Unternehmen wie auch alle anderen Organisationen keine natürlichen Gebilde sind, sondern ihre Legitimation vorrangigen gesellschafts- politischen Entscheidungen (marktwirtschaftliche Ordnung, Eigentumsrechte, Vertragsfreiheit, kulturelle Akzeptanz konkreter Produkt-Markt-Strategien) verdanken. Deshalb ist der Stakeholder Value, bei dem neben ökonomischen Parametern auch die Legitimität und Akzeptanz des Handelns bei relevanten Bezugsgruppen berücksichtigt werden, heute ein geeignetes Leitbild (Karmasin 2007, Zerfaß 2007, Rolke 2002).
Kommunikation schafft Wettbewerbsvorteile und sichert die "licence to operate"
Durch diese Unterscheidung lassen sich zwei Ansatzpunkte der Wertschöpfung identifizieren. Kommunikation bzw. PR kann sowohl Wettbewerbsvorteile, Rentabilität und Liquidität schaffen (ökonomische Dimension) als auch die „licence to operate“ sichern (gesellschaftspolitische Dimension). Diese betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen ermöglichen es, die Kommunikation mit einzelnen Stakeholder-Gruppen präziser zu fassen und entsprechend ihrer strategischen Relevanz zu gestalten (Rolke 2002, Zerfaß 2004).
Kommunikation unterstützt die Leistungserstellung und schafft immaterielles Kapital
Quer dazu liegen ein dritter und vierter Ansatzpunkt der Wertschöpfung. Beide kommen in den Blick, wenn man statt der Inhalte und Bezugsgruppen die internen Wirkungs- zusammenhänge analysiert (Zerfaß/Pfannenberg 2005). Kommunikation bzw. PR kann einerseits als "enabling function" die laufende Leistungserstellung (Produkte und/oder Services) und die Vermarktung der Leistungen sowie die dazu notwendigen Managementprozesse unterstützen und damit zum Erfolg der Organisation beitragen. Kommunikation schafft Präferenzen am Point of Sale, motiviert Mitarbeiter und erweitert z. B. durch Lobbying sowie Corporate Citizenship-Programme die Handlungsspielräume des Unternehmens. So verstanden ist Kommunikation eine unterstützende Aktivität, die in allen Phasen der Wertschöpfungskette zum Tragen kommt und letztlich zu einem höheren Umsatz oder niedrigeren Kosten und damit zu einem verbesserten operativen Ergebnis führt (Gewinn- und Verlustrechung, Kostenrechnung).
Darüber hinaus schafft Kommunikation aber auch immaterielles Kapital wie Reputation, Unternehmensmarken, Vertrauen und Glaubwürdigkeit sowie innovationsfördernde Unternehmenskulturen. Damit werden Erfolgspotenziale für das künftige Handeln aufgebaut. Diese Werte lassen sich heute nur unzureichend abbilden (allenfalls in Intangible Capital Reports bzw. Wissensbilanzen sowie in der Investitionsrechnung) (Will 2007, Piwinger/Porák 2005). Dennoch sind sie von zentraler Bedeutung, da eine Organisation lange davon zehren und sie immer wieder in konkrete Vorteile ummünzen kann.
Methoden zur Bestimmung und Steuerung der Wertschöpfung
Konkrete Vorgehensweisen für diesen Bereich des Kommunikations-Controllings werden in Wissenschaft und Praxis erst seit kurzem diskutiert. Sie sind vielen Entscheidern allerdings kaum bekannt. Das hat eine Studie der Universität Leizig bei den Kommunikations-, Finanz- und Marketingdirektoren deutscher Aktiengesell- schaften gezeigt (Sommer 2007). Zu unterscheiden sind insbesondere zwei Ansätze:
1) Kennzahlensysteme wie das Communication Control Cockpit (Rolke 2004) oder der Reputation Quotient (Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007) versuchen, den Erfolg von Kommunikationsmaßnahmen quantitativ zu erfassen und teilweise mit ökonomischen Größen wie insbesondere den Kommunikationsaufwendungen sowie der Steigerung des finanziellen Unternehmenswerts zu korrelieren. Zu prüfen ist allerdings, inwieweit der unstrittige Zusammenhang von Kommunikation und Organisationszielen verallgemeinert und Wechselwirkungen mit anderen Einflussfaktoren wie z. B. Produktqualität, Lieferbereitschaft und Mitarbeitermotivation ausgeblendet werden. Zudem sind Image bzw. Reputation zwar wichtige, aber keineswegs die einzigen und auch nicht immer die bedeutsamsten Einflussfaktoren der Wertschöpfung.
2) Scorecards und andere mehrdimensionale Steuerungssysteme im Rahmen des Value Based Managements (Hering/Schuppener/Sommerhalder 2004, Zerfaß 2005, Pfannenberg 2005, Rolke/Koss 2005) bilden die Wirkungszusammenhänge von Kommunikation dagegen in mehreren Perspektiven (z. B. im Hinblick auf Finanzen, Kunden, Mitarbeiter, gesellschaftspolitische Stakeholder und Prozesse) ab und definieren geeignete Kennzahlen (Key Performance Indicators - KPIs) auf der Grundlage zentraler Value Links (Wirkungszusammenhänge). Damit entsteht ein organisations- spezifischer Bezugsrahmen für die ganzheitliche Steuerung der Unternehmens- kommunikation, in dem strategische Zielvorgaben mit Ergebnissen der Evaluation von PR und Kommunikationsmaßnahmen verknüpft werden. Scorecards dürfen dabei nicht als mechanistische Rechenwerke missverstanden werden. Im Gegenteil dienen sie dazu, Wissen und Erfahrungen der Kommunikationsverantwortlichen transparent abzubilden und so eine gemeinsame Grundlage für zielgerichtetes Handeln herzustellen.
Literatur
Argenti, Paul A. (2006): Corporate Communication. 4. Auflage. New York: McGraw Hill Higher Education.
Bentele, Günter/Nothhaft, Howard (2007): Konzeption von Kommunikationsprogrammen. In: Piwinger, Manfred/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden: Gabler, S. 357-380.
Buchele, Mark-Steffen (2008): Der Wertbeitrag von Unternehmenskommunikation. Wiesbaden VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Grunig, Larissa A./Grunig, James E./Dozier, David M. (2002): Excellent Public Relations and Effective Organizations. A Study of Communication Management in Three Countries. Mahwah (NJ): Routledge.
Hering, Ralf/Schuppener, Bernd/Sommerhalder, Mark (2004): Die Communication Scorecard. Bern: Haupt Verlag.
Karmasin, Matthias (2007): Stakeholder Management als Grundlage der Unter- nehmenskommunikation. In: Piwinger, Manfred/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden: Gabler, S. 71-87.
Möller, Klaus/Piwinger, Manfred/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) (2009): Immaterielle Vermögenswerte. Bewertung, Berichterstattung und Kommunikation. Reihe: Handelsblatt-Bücher. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. (PDF)
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Pfannenberg, Jörg/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) (2005): Wertschöpfung durch Kommunikation. Frankfurt/Main: Frankfurter Allgemeine Buch
Pfannenberg, Jörg/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) (2010): Wertschöpfung durch Kommunikation. Kommunikations-Controlling in der Unternehmenspraxis. Frankfurt/Main: Frankfurter Allgemeine Buch. (PDF)
Piwinger, Manfred/Porák, Victor (Hrsg.) (2005): Kommunikations-Controlling, Wiesbaden: Gabler.
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Rolke, Lothar (2002): Kommunizieren nach dem Stakeholder-Kompass. In: Kirf, Bodo/Rolke, Lothar (Hrsg.): Der Stakeholder-Kompass. Navigationsinstrument für die Unternehmenskommunikation. Frankfurt/Main: Frankfurter Allgemeine Buch, S. 16-33.
Rolke, Lothar/Koss, Florian (2005): Value Corporate Communications. Wie sich Unternehmenskommunikation wertorientiert managen lässt. Norderstedt: Books on Demand.
Sommer, Christian (2007): Vision und Realität des Kommunikationscontrollings. In: Bentele, Günter/Piwinger, Manfred/Schönborn, Gregor (Hrsg.): Kommunikationsmanagement (Loseblattsammlung), München, Nr. 4.27. [www.hlv-kommunikationsmanagement.de]
Steyn, Benita (2007): Contribution of Public Relations to Organizational Strategy Formulation. In: Toth, Elizabeth L. (Ed.): The Future of Excellence in Public Relations and Communication Management, Mahwah (NJ): Lawrence Erlbaum Associates, S. 137-172.
Wiedmann, Klaus-Peter/Fombrun, Charles J./Van Riel, Cees B. M. (2007): Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient. In: Piwinger, Manfred/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden: Gabler, S. 321-337.
Will, Markus (2007): Wertorientiertes Kommunikationsmanagement. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Zerfaß, Ansgar (2010): Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlegung einer Theorie der Unternehmenskommunikation und Public Relations. 3., ergänzte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Zerfaß, Ansgar (2007): Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement. In: Piwinger, Manfred/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden: Gabler, S. 21-70.
Zerfaß, Ansgar (2005): Integration von Unternehmenszielen und Kommunikation: Die Corporate Communications Scorecard. In: Pfannenberg, Jörg/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.): Wertschöpfung durch Kommunikation. Frankfurt/Main: Frankfurter Allgemeine Buch, S. 102-112.