"Die Tonalitätmessung im Web wird immer relevanter" - Interview mit Oliver Zilcher von der Targobank

Von: Anika Müller / 25.06.2014

Oliver Zilcher

Wie sich Kommunikationsmanagement und Kommunikations-Controlling in der Praxis behaupten, hat Oliver Zilcher, Leiter der Unternehmenskommunikation der Targobank, anlässlich des fünften Medienbeobachterkongresses in Düsseldorf geschildert.

communicationcontrolling.de hat mit Oliver Zilcher über den Status Quo des Kommunikations-Controllings bei der Targobank gesprochen.

communicationcontrolling.de: Herr Zilcher, wie werden Kommunikationswirkungen bei der Targobank gemessen und auf welche Modelle oder Bezugsrahmen beziehen Sie sich dabei? Welche Rolle kommt Social Media innerhalb Ihrer Messaktivitäten zu?

Oliver Zilcher: Bei der Messung der Kommunikation und ihrer Wirkungen beziehen wir uns auf das von der DPRG und dem ICV verabschiedete Wirkungsstufenmodell als einen Standard. Innerhalb dieses Modells haben wir verschiedene Messpunkte definiert, die wir aus bestehenden bzw. neu beauftragten Messungen heraus besetzen. Zu den wichtigsten Messungen gehört für uns die Medienresonanzanalyse, bei der Medienbeiträge inhaltsanalytisch untersucht und in die Kategorien „positiv“, „neutral“ oder „negativ“ eingeordnet werden. Zudem erlaubt uns die Medienresonanzanalyse eine regionale Differenzierung und eine sehr umfangreiche Abfrage verschiedener Reputations-dimensionen. Neben der Medienresonanzanalyse spielt die sogenannte „Net Press Awareness“ eine große Rolle – eine Wahrnehmungsuntersuchung, bei der wir einmal im Monat repräsentativ etwa 1.000 Personen befragen, ob sie in letzter Zeit etwas über die Targobank gelesen, gehört oder gesehen haben und wenn ja, ob das positiv, neutral oder negativ war. Das sind auf der Output- bzw. Outcome-Ebene die wichtigsten Untersuchungen.Dazu kommen Untersuchungen wie Journalistenbefragungen, die wir alle zwei Jahre durchführen, um von einer unserer wichtigsten Zielgruppen zu erfahren, wie deren Wissensstand ist und wie die Arbeit der Unternehmenskommunikation beurteilt wird.

Social Media führt uns zum dritten Messpunkt, den wir monatlich analysieren, die sogenannte Web-Tonalität. Zwar bleiben für uns die klassischen Medien und damit einhergehend die Messpunkte „Medienresonanz“ sowie „Net Press Awareness“ weiterhin wichtig, aber wir haben eine starke Verschiebung in Richtung Web-Tonalität wahrgenommen. Deren zunehmende Bedeutung wird auch durch die sogenannte Customer Journey ersichtlich, die zu einem Großteil  im digitalen Raum stattfindet.  Besonders was die Meinungsdimension angeht, wird die Tonalität im Web immer relevanter. Festgestellt haben wir das zum einen in unserem Net Promoter Score, zum anderen erkennen wir das beim Einfluss auf die Markenrelevanz der Bank.

Oliver Zilcher erklärt den Teilnehmern des 5. Medienbeobachterkongresses das Controlling-System der Targobank (© MBK 2014).

cc.de: Wie steuern Sie mit diesen Ergebnissen, die Sie beispielsweise aus der Medienresonanzanalyse erhalten, die strategische Themenplanung der Targobank?

Zilcher: Die Messergebnisse haben für uns definitiv strategische Relevanz. Zum einen haben wir eine grobe Themenplanung für die Quartale und das Jahr. Daneben setzen wir sehr stark auf ein „Agenda-Surfing“, das heißt, wir haben ein Pool an Themen, bei denen wir als Bank glauben, etwas beitragen können. Sobald durch die Medienbeobachtung ersichtlich wird, dass sich ein neues Thema aufbaut, versuchen wir „aufzuspringen“ – allerdings nicht mit der klassischen Pressemitteilung, sondern durch den direkten Kontakt mit wichtigen Journalisten, etwa durch E-Mail oder Anrufe und dem Hinweis, dass wir einen Beitrag und Ansprechpartner dazu liefern können. Das ist das „Ad-hoc-Management“, was wir durchführen.

Die strategischere Seite bezieht sich eher auf die Frage „Wo sehen wir möglicherweise eine Häufung von negativer Presse, weil zum Beispiel bestimmte Gerichtsurteile in Bezug auf Banken anstehen oder weil Verbraucherverbände einen Test veröffentlichen?“ In diesen Momenten oder darauf folgend versuchen wir bewusst positive Nachrichten über das Unternehmen zu platzieren, umso die negative Presse in der Wahrnehmung auszubalancieren. Im Nachhinein lässt sich zudem analysieren, ob ein in der Presse zunächst negativ dargestelltes Ereignis in der Wahrnehmung der Bevölkerung womöglich gar nicht so einen Effekt erzielt hat. Die Messungen helfen uns also nicht nur dabei, einzuschätzen, wie erfolgreich die eigenen Maßnahmen waren, sondern eben auch beim Analysieren, welche Beiträge gar nicht solch einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung  hatten. Das gibt uns Aufschluss darüber, wo es mehr Sinn macht, Geld und Zeit zu investieren und wo eher weniger.

cc.de: Herr Zilcher, Sie sprachen eben schon die negative Medien-Berichterstattung an. Auch die Finanzkrise 2009 ging an der Targobank, damals noch Citibank, nicht spurlos vorüber. War zu diesem Zeitpunkt schon ein Kommunikations-Controlling implementiert? Wie haben Sie die Reaktionen in ihren Messungen erlebt und welche Kommunikationsanstrengungen wurden erforderlich?

Zilcher: Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch kein Kommunikations-Controlling im engeren Sinne implementiert. Wir arbeiteten mit den zwei Messpunkten, die ich vorhin schon kurz genannt hatte: die Medienresonanzanalyse und die „Net Press Awareness“, also die Wahrnehmungsbefragung. Beide waren eher negativ ausgeprägt und in dieser Situation zunächst auch gar nicht hilfreich, denn es war klar: es muss etwas getan werden, um aus dieser Finanzkrise herauszukommen. Dagegen war es dann sehr aufschlussreich, mithilfe der Messungen zu verfolgen, wie sich die größeren Maßnahmen, die wir unternommen haben, entsprechend ausgewirkt haben. Nützlich waren die Messaktivitäten auch dabei, dem Management zeigen zu können, dass diese Maßnahmen uns Geld gekostet haben, aber sie eben auch auf der anderen Seite geholfen haben, die Medienresonanz als auch die Wahrnehmung der Targobank (Citibank) in der Bevölkerung zu verbessern. Ohne das als richtiges Controlling zu bezeichnen, war es wichtig, diese Instrumente gehabt zu haben.

cc.de: Was glauben Sie, was sind die zukünftigen Herausforderungen im Kommunikations-Controlling für die Targobank? Was sind die nächsten Schritte?

Zilcher: Nachdem wir den DPRG/ICV-Wirkungsrahmen nach und nach durchdekliniert haben, steht als nächstes Thema für uns an, ein Beobachtungssystem aufzusetzen. Das heißt, welche Werte, welcher Input, Output und welcher Outcome sind für uns relevant und wie hängen diese Stufen zusammen? Der zweite Schritt liegt darin, das Team stärker mitzunehmen. Der dritte Schritt ist schließlich, das Management zu überzeugen, dass das Modell, was man gemeinsam mit den Kollegen aus der Marktforschung aufgesetzt hat, ein valides Modell ist, mit dem wir zukünftig arbeiten möchten und es die Werte enthält, an denen wir uns zukünftig messen lassen wollen – aber an diesem Modell müssen wir noch arbeiten.

cc.de Vielen Dank für das Gespräch.


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