Ein langer Weg zur Spitze - Herausforderungen für das Kommunikations-Controlling

Von: Ansgar Zerfass und Mark-Steffen Buchele

Strategische Kommunikation ist ein Milliardenmarkt. Unternehmen und andere Organisationen investieren Jahr für Jahr erhebliche Beträge in Public Relations, Kunden-, Finanz- und Mitarbeiterkommunikation. Bis heute wissen nur verhältnismäßig wenige, wie der Erfolg dieser unterschiedlichen Kommunikationsaktivitäten gemessen werden kann. Offen bleibt vor allem die Frage: „Welchen Beitrag leistet gelungene Kommunikation, die Ziele der Gesamtorganisation zu erreichen und wie kann man das messen?“.

Es geht dabei weniger um Erfolgskontrolle oder Rechtfertigung. Viel wichtiger sind zielorientierte Steuerung und Management der Kommunikationsfunktion im Sinne des Unternehmens. Die größte Hürde dafür ist: Geschäftsstrategien und Kommunikation sinnvoll miteinander zu verbinden. Das ist seit Jahren für fast jeden zweiten befragten Kommunikationsmanager einer der drei wichtigsten Herausforderungen für das Kommunikationsmanagement. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse der weltweit größten Branchenstudie, der European Communication Monitor.

Weitere Herausforderungen und persönliche Erkenntnisse haben unsere Kollegen aus dem internationalen Raum in den Interviews mit communicationcontrolling.de angesprochen. Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen und formulieren fünf Leitsätze für das optimale Zusammenspiel von Kommunikationsmanagement und Kommunikations-Controlling.

Dieser Beitrag beschließt die zwölfteilige Reihe "Thought Leaders in PR Measurement". In dieser berichten Menschen, die die internationale Diskussion im Bereich Kommunikations-Controlling auf den Weg gebracht und in verschiedenen Phasen geprägt haben über ihre persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen.

1) Beziehe Leistungen der Kommunikation auf die Kernprozesse des Unternehmens

Auch wenn Kommunikationsverantwortliche das nicht gerne hören: Viele Entscheider in den Führungsetagen haben nur ein sehr diffuses Bild von der Bedeutung strategischer Kommunikation für den Erfolg der gesamten Organisation − und damit für ihre eigene Zielerreichung. Empirische Studien zeigen, dass Top-Manager ihre persönliche Kommunikationskompetenz für sehr wichtig halten, weniger aber ihren Kommunikationsabteilungen vertrauen. Zudem weichen ihre Erwartungen und Erfahrungen deutlich von denjenigen der Kommunikatoren ab [1].

Die Gründe hierfür sind vielfältig, was sich aber durchzieht ist: Kommunikations-Verantwortliche beschreiben ihre Leistung oft sehr diffus und nehmen keinen Bezug auf übergeordnete Zielsysteme des Unternehmens. Genannt werden oft weiche, kommunikative Zielgrößen, wie Vertrauensbildung, Reputation, Marken und Images. Langfristig können diese zu immateriellen Werten werden. Die lassen sich allerdings nicht allgemein verbindlich bewerten.

Die Leistung der Kommunikation sollte daher stets für Kernprozesse des strategischen und operativen Managements beschrieben werden. Wenn Handlungsspielräume gesichert, Beziehungen aufgebaut und gestärkt, Geschäftsprozesse beschleunigt, Kosten eingespart und Kompetenzen aufgebaut werden, ist der Bezug zu Organisationszielen schnell ersichtlich. Erst recht gilt dies, wenn Kosten-Nutzen-Kalkulationen vorgenommen werden können. Klare Zielvorgaben auf Organisationsebene sind unverzichtbar, wenn man messbare Ergebnisse für Kommunikationsaktivitäten definieren will. Kommunikationsmanager müssen, darauf haben James Grunig, Don Stacks, Tom Watson und David Rockland hingewiesen, den Wert der Kommunikation per se verdeutlichen und die Abstimmung von Kommunikations- und Organisationszielen durch systematische Planungsprozesse verbessern. In beiden Punkten hilft Kommunikations-Controlling, indem es die dafür erforderlichen Verbindungen herstellt und Daten liefert. 

2) Höre Zielgruppen besser zu und passe Kommunikationsprozesse frühzeitig an

Professionelle Kommunikation ist nicht nur wertvoll, weil sie Informationen vermitteln, Sachverhalte thematisieren und Einstellungen beeinflussen kann.

Ebenso wichtig ist die systematische Beobachtung der Meinungsbildung und von Multiplikatoren-Netzwerken bei relevanten Bezugsgruppen. Das ist nichts Neues. Neben Prozessen für den Medieneinsatz benötigen Organisationen auch eine "architecture of listening" [2]. Doch die PR-Evaluation konzentriert sich bis heute - ähnlich wie die Werbewirkungsforschung - auf die Potenziale einseitiger Informationsvermittlung. Selbst bei der Diskussion um die Messung von Social-Media-Kommunikation wird sehr konkret über Kennzahlen für Reichweiten, Follower und Likes diskutiert, der Nutzen der Umweltbeobachtung aber meist nur allgemein benannt. Gleichzeitig versuchen viele immer noch, betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie den Return on Investment (RoI) von Kommunikation zu berechnen, obwohl es an basalen Voraussetzungen wie einer exakten Identifikation der Kosten und zurechenbaren Erträge fehlt. Beides sind Irrwege. Wie Fraser Likely erläutert hat, sollte die Bedeutung der formativen, also Kommunikationsprozesse begleitende  Evaluation stärker betont und ausgewiesen werden; statt des RoIs sind beispielsweise Kosten-Nutzen-Kalkulationen sinnvoll. Das wirkt glaubwürdiger, so David Geddes.

3) Lerne Studien und Analysen verstehen und Daten zu bewerten

Die Messung und Evaluation von Kommunikationsprozessen ist keine geheime Kunst, sondern eine tagtäglich geübte Praxis in der angewandten Markt-, Meinungs- und Kommunikationsforschung. In der PR und strategischen Kommunikation mangelt es jedoch bis heute vielfach an Erfahrungen mit Studiendesigns, Datenerhebungen, Datenanalysen und Reportings. Auch wenn sich diese Einstellungen im Laufe der nächsten Jahre aufgrund aktueller Ausbildungsinhalte ändern und ein Generationenwechsel stattfindet, so Katie Paine, empirische Methoden zu kennen und statistische Modelle zumindest in Ansätzen zu verstehen ist für Kommunikationsmanager unabdingbar, so David Geddes. Für die Glaubwürdigkeit des Kommunikationsmanagements ist es von entscheidender Bedeutung, dass branchen- und dienstleisterspezifische Messmethoden auf wissenschaftlichen Standards aufgebaut sind. Kommunikationsmanager brauchen die Kompetenzen, das zu erkennen: Denn die wachsende Nachfrage und die Konkurrenz etablierter Dienstleister befördert pragmatische Lösungen und Pseudo-Standards, die langfristig falsche Aussagen treffen und – wenn eingesetzt – in die Irre leiten.

4) Nutze einheitliche Begriffe und sorge für ein gemeinsames Verständnis

Eine konsequente Ausrichtung der strategischen Kommunikation an den Zielen der jeweiligen Organisation bedeutet, dass standardisierte Evaluationsmethoden zwangsläufig an Grenzen stoßen. In den letzten Jahren haben verschiedene Initiativen versucht, internationale Standards voranzutreiben. Das reicht von Normierungen der Analyseebenen im DPRG/ICV-Bezugsrahmen bis hin zu konkreten Messmethoden und Kennzahlen beispielsweise für die Social-Media-Kommunikation, die vom Institute for Public Relations vorgeschlagen wurden. Manche internationale Experten wie David Rockland, Sandra Macleod und Katie Paine sehen diese als hilfreich an. Andere wie Rainer Mathes sind skeptisch, vor allem wegen der notwendigen Anbindung an Geschäftsmodelle, die sich zwangsläufig unterscheiden. Standards sind kein Selbstzweck. Sie sollten auch nicht auf einem Minimalkonsens beruhen, mit dem etablierte Dienstleister − beispielsweise aus dem Bereich der Medienanalyse − versuchen, ihre Marktposition zu zementieren. Vielmehr geht es darum, durch einheitliche Terminologien und Methodenbeschreibungen für alle Beteiligten Transparenz zu schaffen. Die notwendigen Konzepte und Inhalte sind inzwischen bekannt − jetzt geht es darum, diese in die Breite zu tragen.

5) Denke und handle interdisziplinär, wandere zwischen den Welten

Die größte Herausforderung für das Kommunikations-Controlling ist und bleibt der Aufbau von Know-how bei denjenigen, die in Kommunikationsabteilungen, Agenturen und bei Evaluationsdienstleistern für die Steuerung strategischer Kommunikation verantwortlich sind. Das muss bei der akademischen Ausbildung beginnen. Kurse zur empirischen Sozialforschung und spezifische Angebote zur PR-Evaluation findet man beispielsweise auf Bachelor-Ebene und an Fachhochschulen immer noch zu selten. Auch in der Weiterbildung für PR-Praktiker wird allzu oft noch ein verkürztes Verständnis der Thematik vermittelt. Nicht zuletzt fehlt es vielen Kommunikatoren an interdisziplinärem Strategie-und unternehmerischem Wissen, das für den Brückenschlag zwischen Kommunikation und Top-Management unabdingbar ist. Die Kompetenzvermittlung im Bereich Steuerung und Evaluation ist und bleibt der Schlüssel zur Professionalisierung der strategischen Kommunikation - darin sind sich Experten wie Walter Lindenmann und Jim Macnamara einig. Untrennbar damit verbunden ist eine Sensibilisierung für die ethische Dimension jeglicher Erhebung und Verwendung von Daten. Relevante Erkenntnisse werden stets Konsequenzen haben und die Position einzelner Abteilungen und Entscheider beeinflussen. Qualität und Verantwortung bedingen einander und müssen gemeinsam weiterentwickelt werden.

Fazit: It´s a long way to the top (if you wanna take control)

Die Diskussion um PR-Evaluation und Kommunikations-Controlling hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht [3, 4]. Doch es war und ist ein entbehrungsreicher und harter Weg –unsere Titelwahl frei nach dem AC/DC-Klassiker von 1976 verdeutlicht das. Es ist noch viel zu tun, damit das Kommunikationsmanagement insgesamt von den beschriebenen Erkenntnissen profitieren kann. Für die Forschung eröffnen sich, vor allem mit Blick auf mobile Medien und interkulturelle Kommunikation, spannende neue Fragestellungen. Und für die PR-Praxis bieten sich zahlreiche Profilierungsmöglichkeiten − wer die Methoden versteht, wird Kommunikation im organisationalen Kontext neu verankern und mehr Einfluss gewinnen können. Und Unternehmen, die das Zusammenspiel von Kommunikationsmanagement und Kommunikations-Controlling nicht beherrschen werden weniger erfolgreich sein.


Literatur

[1] Zerfass, A., Bentele, G., Schwalbach, J., & Sherzada, M. (2014). Corporate Communications from the Top and from the Center: Comparing Experiences and Expectations of CEOs and Communicators. International Journal of Strategic Communication, 8 (1), forthcoming.

[2] Macnamara, J.R. (2013). Beyond voice: Audience-making and the work and architecture of listening. Continuum: Journal of Media and Cultural Studies, 27 (1), 160-175.

[3] Zerfass, A. (2010). Assuring Rationality and Transparency in Corporate Communications. Theoretical foundations and empirical findings on communication controlling and communication performance management. In M. D. Dodd & K. Yamamura (Eds.), Ethical Issues for Public Relations Practice in a Multicultural World, 13th International Public Relations Research Conference (pp. 947-966), Gainesville (FL): IPR.

[4] Likely, F., & Watson, T. (2013). Measuring the Edifice: Public Relations Measurement and Evaluation Practices Over The Course of 40 Years. In K. Sriramesh, A. Zerfass & J.-N. Kim (Eds.), Public Relations and Communication Management – Current Trends and Emerging Topics (pp. 143-162). New York: Routledge.


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