Interview: Reputationsrisiken lassen sich messen

Von: KK / 16.01.10

Dr. Frank Herkenhoff

Ein weiterer Beitrag zum Thema Reputation: Erneut hat communicationcontrolling.de mit einem Experten für Reputation-Management gesprochen. Dr. Frank Herkenhoff hat sich intensiv mit dem Thema "Risikomanagement für Public Relations" auseinandergesetzt. Der Leiter Media Relations der Deutsche Börse AG hat einen konkreten Ansatz zur Messung von durch die Massenmedien bedingten Reputationsrisiken im Unternehmen entwickelt und aufgezeigt, dass ein Reputation Risk Scoring analog dem etablierten unternehmensinternen Risk Management möglich ist. Das Interview mit ihm lesen Sie hier.

 

communicationcontrolling.de: Herr Herkenhoff, warum ist das "Messen" von Reputationsrisiken für ein Unternehmen so wichtig?

Frank Herkenhoff: Weil Unternehmen damit dem Ansatz des "holistischen Risikomanagement" nachkommen und verstehen, dass Risiken für den geschäftlichen Erfolg in modernen Gesellschaften auch aus dem Mediensystem kommen. Da im Risikomanagement viele Informationen verarbeitet und verdichtet werden müssen, hat sich das Messen gegenüber der reinen verbalen Umschreibung durchgesetzt. Zudem gibt es mittlerweile eine Reihe von Anforderungen aus dem regulatiorischen Umfeld, die nahelegen, auch die Reputation den Unternehmensrisiken zuzuschlagen.

communicationcontrolling.de: Können Sie bitte in diesem Zusammenhang Ihren konkreten Ansatz des Reputation Risk Measurement und Management kurz vorstellen?

Frank Herkenhoff: Wenn man von Risiken spricht, dann spricht man im Kern von Wahrscheinlichkeiten. Dementsprechend klärt die Methode auf Basis der Nachrichtenfaktorenforschung und Framing-Theorie den Wahrscheinlichkeitgrad mit dem - neutral gesprochen - unternehmerische Gegenbenheiten (z.B. Salesstrategien in Osteuropa, Personalpolitik im Call-Center) Gegenstand der Medienagenda werden. Dabei kann die Methode beides: Konkrete Hinweise darauf geben, wie man die Wahrscheilichkeit reduziert als auch was man tun sollte, um gezielt ein Medienecho hervorzurufen. Wohlgemerkt: nicht abstrakt theoretisch, sondern im konkreten Fall.

communicationcontrolling.de: Worin sehen Sie die Gründe, dass viele Unternehmen - auch "Big Player" - ihr Risk Management noch nicht auf die Unternehmens- kommunikation allgemein und Reputationsrisiken im Speziellen ausgeweitet haben?

Frank Herkenhoff: Dafür gibt es vornehmlich zwei Gründe: Erstens hängt es mit der Sicht und den Erwartungen des Top-Management auf den Fachbereich "Kommunikation" zusammen. Für die Mehrzahl der heute Verantwortlichen in Managementpositionen gab es in ihrer Ausbildung keine Vorlesungen oder Seminare zu "Medien-Management" etc. Bestenfalls wurde Kommunikation als vertriebsunterstützende "Verlautbarungsfunktion" angesehen und entsprechend gelehrt. Die soziale Funktion von Medien mit all ihren Sekundäreffekten (z.B. Wirklichkeitskonstruktion) wurde nicht vermittelt. Was also kann man von einem solchen Bereich im Hinblick auf strategische Fragestellungen des Unternehmens schon erwarten? Zweitens liegt der Grund in der Qualifikation der meisten Stelleninhaber im Bereich Unternehmenskommunikation: Nach wie vor verbreitet ist der Ex-Journalist, der mit seinen handwerklichen Fähigkeiten das Alltagsgeschäft stemmt und maximal an die morgige Headline denkt. Also rein taktisch arbeitet. Woher soll er auch Managementfähigkeiten und -methoden nehmen? In seiner Ausbildung kamen sie nicht vor.

communicationcontrolling.de: Wie wird sich das zukünftig entwickeln? Hat ihr Scoring-Ansatz, den Sie im Rahmen Ihrer Dissertation zum Thema "Risikomanagement für Public Relations" entwickelt haben, in der unternehmerischen Praxis eine Chance sich zu etablieren?

Frank Herkenhoff: In dem Maße, in dem sich die gerade beschriebenen Zustände und Konstellationen abschwächen, etwa durch zielgerichtete Ausbildungsweg zum Kommunikationsmanager, rücken planerische bzw. strategische Aspekte in den Vordergrund - und damit dezidiert in der Kommunikations- und Medienwissenschaft entwickeltes Methoden-Know-How.

communicationcontrolling.de: Können Sie in der aktuellen Phase wirtschaftlicher Krise und Rezessionsängste eine Tendenz zu mehr Nachfrage nach Controllingaktivitäten auch in der Kommunikation seitens anderer Unternehmensbereiche und natürlich des Vorstands erkennen? Müssen Sie Ihre Arbeit mehr "rechtfertigen"?

Frank Herkenhoff: Das ist sicherlich von Organisation zu Organisation sehr unterschiedlich. Doch sollte Controllingaktivität stets begleitend zu sämtlicher Kommunikationsarbeit erfolgen, also integriert sein und nicht von der derzeitigen wirtschaftlichen Verfassung abhängen.

communicationcontrolling.de: Vielen Dank für das Interview!

Über Dr. Frank Herkenhoff

Dr. Frank Herkenhoff leitet die Abteilung Media Relations der Deutsche Börse AG in Frankfurt/Main. Zuvor war er als Consultant vornehmlich in der Finanzbranche für eine europäische Kommunikationsberatung tätig. Herkenhoff hat Kommunikations- wissenschaft, Psychologie und BWL an der Universität Leipzig studiert. Dr. Frank Herkenhoff wurde für seine unter dem Mentorat von Günter Bentele erstellte Dissertation "Risikomanagement für Public Relations" mit dem Nachwuchspreis des Bundesverbands Deutscher Pressesprecher (BdP) 2007 ausgezeichnet.

Im Beitrag vergangene Woche hat communicationcontrolling.de mit Prof. Dr. Manfred Schwaiger, LMU gesprochen und dessen Ansatz für Reputationsmanagement vorgestellt. Das Interview lesen Sie hier.

Sowohl Prof. Manfred Schwaiger als auch Dr. Frank Herkenhoff waren Referenten beim kürzlich in München stattgefundenen Symposiums des European Centre for Reputation Studies (ECRS) „Reputation Capital – Building and Maintaining Trust in the 21st Century“. communicationcontrolling.de war bei der Veranstaltung vor Ort. Lesen Sie hier den ausführlichen Report unserer Autorin Kristin Köhler.


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