Reputations-Management bei der Mainova AG

Von: Marie-Theres Gohr/ 03.04.2013

Der Wert von Kommunikation misst sich nach ihrer Wirkung. Es geht um die die tatsächliche Wahrnehmung und Verarbeitung kommunizierter Informationen. In den meisten Unternehmen wird dieser Wirkung bisher allerdings wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Lothar Rolke, Fachhochschule Mainz, und Alexander Zell, Konzernsprecher des Energieversorgers Mainova AG, nahmen das zum Anlaß und entwickelten ein Evaluationskonzept, das qualitative Erkenntnisse über Kommunikationsmaßnahmen generiert. Im Gespräch mit communicationcontrolling.de erklären sie, wie die Mainova AG genau vorgeht, warum das neue Konzept gewinnbringend ist und welche Ziele und Herausforderungen zukünftig bestehen.

communicationcontrolling.de: Herr Zell, wie misst die Mainova AG Kommunikationswirkungen?

Alexander Zell: Am Anfang stand für uns die Frage: Wie erfassen wir kontinuierlich, in gleich bleibender Qualität und automatisiert die Medienresonanz quantitativ und qualitativ? Und wie können wir in Erfahrung bringen, welches Meinungsbild bei den Lesern durch die Berichterstattung über Mainova geprägt wird? Die Kontrolle von Quantität und Qualität der Medienberichterstattung erfolgt tagesaktuell über ein Online-Portal. Dort werden sämtliche Berichte mit einer Unternehmensnennung erfasst und ihre Tonalität auf einer Skala von -2 („sehr negativ“) über 0 („neutral“) bis +2 („sehr positiv“) bewertet. Der Durchschnitt dieser Werte bildet den Akzeptanzquotienten. Einmal pro Quartal erhält die Mainova eine detaillierte Medienresonanzanalyse. Im Zeitverlauf wird so klar ersichtlich, inwieweit die eigenen Kommunikationsaktivitäten Niederschlag in den Medien gefunden haben. Die Analyse der Medienresonanz wird halbjährlich ergänzt durch eine repräsentative Meinungsbefragung, deren Ergebnisse systematisch mit denen der Medienresonanzanalyse in Beziehung gesetzt werden. Erst dadurch lässt sich erkennen, welchen tatsächlichen Einfluss die Medienberichte über die Mainova auf die Leser haben. 


Das Wirkungsstufen-Modell der Mainova-AG

cc.de: Das durchgeführte Kommunikations-Controlling zeigt die Tonalität und den Exklusivitätsgrad von Themen und wie stark "Dritte" verschiedene Themen besetzen. Wie steuert man mit diesen Ergebnissen die tägliche Medienarbeit und die strategische Themenplanung der Mainova AG?

Zell: Aus diesen Erkenntnissen lassen sich klare Konsequenzen für die strategische Themenplanung ableiten. Positive und negative Trends der Medienberichterstattung können auf diese Weise schnell erkannt werden. Anhand von zuvor festgelegten Zielvorgaben können wir Maßnahmen ergreifen und die Kommunikationsaktivitäten steuern. So können wir beispielsweise die Kommunikation von positiv dargestellten Themen intensivieren, etwa durch das Platzieren von Interviews oder Gastbeiträgen mit einem Vorstandsmitglied. Werden negative Entwicklungen wahrgenommen, können wir kurzfristig Gegenmaßnahmen ergreifen. Darüber hinaus können wir die zur Verfügung stehenden begrenzten Ressourcen wie Personal und Budget effizienter einsetzen. Die Ergebnisse des PR-Controllings ermöglichen es uns, die Kommunikationsarbeit kontinuierlich anhand von objektiven Kennzahlen zu kontrollieren. Wir können überprüfbare Maßnahmen zur Weiterentwicklung entwickeln und umsetzen. Dadurch optimieren wir die Effizienz und Effektivität unserer Kommunikationsarbeit.

cc.de: Herr Rolke, welches Potential liegt in der Analyse von Kommunikationswirkungen, besonders in Meinungen von relevanten Zielgruppen für die Unternehmenskommunikation?

Lothar Rolke: Der Wert von Kommunikation liegt in ihrer Wirkung. Und zwar ausschließlich. Wenn ich also nicht weiß, wie meine Kommunikation wirkt, weiß ich weder ob und wie ich meine Zielgruppe erreiche noch welchen Wert es für mich hat. Erst wenn ich erfassen kann, wie meine Themen und Botschaften ankommen und was sie auslösen, vermag ich Kommunikationsprozesse gestalten. Erst dann lässt sich übrigens seriös von Kommunikationsmanagement sprechen.

cc.de: Welche Wirkungen müssen gemanagt werden? Worin liegt ihr Wertbeitrag für den Erfolg von Unternehmen?

Rolke: Ganz allgemein gesagt trägt PR auf zwei Wegen zum Wertmanagement bei. Einerseits durch direkte Unterstützung des Wertschöpfungsprozess. Der Klassiker ist hier die Produkt-PR, die an die Stelle von Werbung tritt oder sie ergänzt. Neuerdings beobachten wir in der externen Personalkommunikation ähnliches – etwa, wenn im Recruting zu PR-Maßnahmen gegriffen wird. Andererseits gehört die Wertsicherung zu den klassischen Aufgaben der PR, was sich besonders in Krisenfällen zeigt. Aber auch unter weniger dramatischen Umständen hat die Unternehmenskommunikation dafür zu sorgen, dass Unternehmen mit ihren Produkten und Strategien hinreichend gesellschaftliche Akzeptanz erhalten. Beides zu tun ist das eine, den Wertschöpfungs- und den Wertsicherungsbeitrag sichtbar zu machen, ist das andere und genauso wichtig, weil dadurch die PR-Stimme im Unternehmen gestärkt wird.

cc.de: Die Mainova AG war einer der ersten Energieversorger, der Anfang 2012 die Preise erhöht hat. Wie haben Sie die Reaktionen darauf erlebt? 

Zell: Die mediale Wahrnehmung war riesig. Da die Mainova einer der ersten Energieversorger war, der diesen Schritt veröffentlichte, berichteten die Medien bundesweit darüber. Als die Wettbewerber in den nächsten Tagen nachzogen, wurde die Mainova in den Beiträgen dann häufig mit erwähnt. Die Tendenz dieser starken medialen Resonanz war in den allermeisten Fällen eindeutig negativ. Der Eingriff in den Geldbeutel der Kunden wurde von den Medien kritisiert. Das Akzeptanzniveau der Berichterstattung sank in diesem Quartal um fast einen ganzen Punkt von 1,07 auf 0,17. Auch in der halbjährlichen Meinungsumfrage zeigten sich die negativen Einflüsse auf die Bewertung des Unternehmens durch die Mediennutzer deutlich. Es waren starke Kommunikationsanstrengungen erforderlich, um diesen Trend wieder umzukehren. 


Medienberichterstattung über die Mainova bei frühzeitiger und später Bekanntgabe der Preiserhöhung

cc.de: Inwiefern hat Ihnen die Medienresonanzanalyse dabei geholfen, hilfreiche Schlüsse für die Zukunft zu ziehen?

Zell: Wir haben aus diesen Erfahrungen unsere Konsequenzen gezogen. So versuchen wir inzwischen, notwendige Preiserhöhungen nicht vor unseren Wettbewerbern zu kommunizieren. Außerdem platzieren wir positiv besetzte Themen in das Umfeld der Bekanntgabe der Preiserhöhung, um die negativen Auswirkungen auf die Akzeptanz des Unternehmens zu begrenzen.

cc.de: Ein Ergebnis ist auch, dass das Internet für die Kommunikation von Mainova-Themen keine große Rolle spielt. Wie erklären Sie sich diesen Sachverhalt in einem Zeitalter, wo Web 2.0 und Social-Media auch im Bereich Energieversorger (verivox etc.) eine große Rolle spielen und regelrecht zum „guten Ton“ gehören?

Rolke: Dahinter verbirgt sich ein interessanter Befund: Obwohl die die Mainova mit ihren Themen eine hohe Präsenz in Zeitungs- und Informationsportalen aufweist, geht die meinungsbildende Wirkung doch sehr stark von den gedruckten Medien aus. Offenbar sucht im Internet kaum einer nach Mainova-Themen, interessiert sich aber dann dafür, wenn er beim Zeitungslesen zufällig darauf stößt. Das gilt im Wesentlichen für die Bestandskunden, die eine hohe Loyalität aufweisen. Sicherlich ist es dann anders, wenn jemand neu in eine Stadt kommt und sich fragt, welchen Energieversorger er wählen soll. 

cc.de: Sie sprechen davon, dass die Mainova sich einen Reputationspuffer aufgebaut hat. Was genau ist das, wie kann man ihn messen und positiv beeinflussen? Was geht nicht?

Rolke: Die bisherige Analyse, die sich über zwei Jahre erstreckt, lässt statistisch signifikant erkennen, dass bei hinreichender Quantität positive Berichterstattung Image steigernd wirkt und Verhalten bestimmt. Allerdings vermittelt sich dieser Effekt nicht vollständig auf die gesamte Zielgruppe, sondern passiert drei Filter, welche die ursprüngliche Kraft verringern: die Reichweite, die Wahrnehmung und die Befürwortung. Was dann übrig bleibt, bezeichnen wir als Reputationspuffer. Er gibt an, in welchem Umfang (positive) Berichterstattung die Zustimmung der Zielgruppe aktuell beeinflusst und damit wie groß der „Schutz“ gegenüber situativ-kritischen Äußerungen ist.


Veränderung des Reputationspuffers bei den Frankfurter Bürgern

cc.de: Was sind die nächsten Schritte und künftigen Herausforderungen für die Mainova AG im Bereich Kommunikations-Controlling? Werden sie auch andere Wirkungsstufen als den externen Output und den Outcome betrachten?

Zell: Derzeit versuchen wir zu ermitteln, inwieweit wir durch unsere Kommunikationsleistungen die Reputation des Unternehmens schützen können. Dieser Reputations-Puffer befindet sich aber noch in einem Experimentierstadium. Dabei geht es um die Frage: Wenn wir durch empirische Überprüfung wissen, dass sowohl positive wie auch negative Berichterstattung die Reputation des Unternehmens beeinflusst, dann müssen wir doch auch ermitteln können, wie viel vom Medienecho am Ende des Wirkungsverlaufs noch wirksam ist. Und zwar nachdem das veröffentlichte positive Medienbild die Filter Reichweite, Wahrnehmung und Befürwortung passiert hat. 

cc.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Über Lothar Rolke

Lothar Rolke ist seit 1996 Professor für BWL und Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Mainz. Seit über zwanzig Jahren berät er Unternehmen in Fragen der internen und externen Kommunikation. Beratungsschwerpunkte sind Konzept- und Strategieentwicklung, Gutachten, Coaching von Führungskräften und Kommunikations-Abteilungen sowie das Controlling von Kommunikation.

Über Alexander Zell

Alexander Zell hat Staats- und Sozialwissenschaften studiert und ist seit November 2009 Leiter der Konzernkommunikation des Energieversorgers Mainova. Zuvor war er als Fachreferent für PR und Leiter des Informationsbüros der Bundeswehr in Frankfurt tätig, leitete die Unternehmenskommunikation der GIP, war Pressesprecher der CDU-Fraktion in Frankfurt und Geschäftsführer der Hessischen Akademie für politische Bildung. 


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