In schlechten Zeiten in Marktforschung investieren: Interview mit Bernad Batinic

Von: Maren Eitel / 19.09.12

Die Markt- und Meinungsforschung ist in Deutschland weiter auf Wachstumskurs. Viele Unternehmen setzen auf dieses Werkzeug – nicht nur im Marketingbereich. Auch Fragen von Controlling und Kommunikation sollen mittels Befragungen beantwortet werden, wie beispielsweise die Erhebung von Reputationsveränderungen oder die Identifikation von Stakeholdern und wichtigen Themen. Angesichts der großen Beliebtheit von Befragungen drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass das Instrument von Kommunikationsabteilungen und Agenturen nicht selten unter falschem Vorzeichen verwendet wird: Nicht das eigentliche Erkenntnisinteresse steht dann im Mittelpunkt, sondern der Gebrauch von Marktstudien zur Generierung von „nützlichen Zahlen“ und somit als PR-Instrument.

communicationcontrolling.de hat mit dem Psychologen Prof. Dr. Bernad Batinic (Johannes-Kepler-Universität Linz) über Chancen und Risiken der Marktforschung gesprochen. Batinic ist Experte auf dem Gebiet der (internetbasierten) Markt- und Meinungsforschung. Er gilt als Pionier der Online-Forschung im deutschsprachigen Raum und hat mehrere Online-Marktforschungsunternehmen, wie die Globalpark AG und die Respondi AG, gegründet. Beim internationalen Panelprovider Respondi ist er Gesellschafter und Vorsitzender des Aufsichtsrats.

cc.de: Herr Batinic, was bedeutet Marktforschung für Sie?

Batinic: Marktforschung ist ganz einfach ein Gespräch dem Kunden. Und wie bei jedem Gespräch kommt es darauf an verständliche und richtige Fragen zu stellen und natürlich die Antworten des Gesprächpartners zu verstehen. 

cc.de: Seit Jahren hält ein kontinuierlicher Anstieg der Marktforschung in Deutschland an, welcher sich in Angestellten- und Umsatzzahlen der Branche niederschlägt. Ist so viel Marktforschung wirklich zielführend und wird dabei eigentlich ihr volles Potenzial genutzt?

Batinic: Meist ist Geld für Marktforschung da, wenn es den Unternehmen gut geht und wenn es ihnen schlecht geht, dann wird an Marktforschung gespart. Eigentlich müsste es genau anders herum sein. Wirtschaftlich angespannte Situationen sind oft ein Zeichen dafür, dass ich meine Kunden nicht verstehe, ihnen nicht zugehört habe und ihre wirklichen Wünsche und Erwartungen nicht ernst nehme. Genau hier wirkt Markforschung und entfaltet ihre Kraft, an ihr zu sparen ist völlig kontraproduktiv. 

cc.de: Studien können nicht einfach beliebige Zahlen generieren und Befragungen können nichts erfinden, was nicht vorhanden ist. Kann Marktforschung also überhaupt missbraucht oder falsch verwendet werden? 

Batinic: Ich habe selbst oft erlebt, dass verantwortliche Personen in Unternehmen mit Hilfe von Marktforschung versuchen sich ihre bestehenden Annahmen bestätigen zu lassen. Man nutzt Marktforschung, um sich längst festgelegte Entscheidungen und Strategien gegenüber der Unternehmensleitung absichern zu lassen. Da werden dann beispielsweise bestimmte Fragen in der betreffenden Studie einfach nicht gestellt, weil es könnte ja was Negatives rauskommen. Unliebsame Ergebnisse werden angezweifelt und Ergebnisse die ein wenig in die eigene Richtung gehen, werden überinterpretiert. Dies ist eine sehr ungute Situation, welche die volle Kompetenz des Marktforschungsinstituts beansprucht. Diese müssen hier klar Position beziehen und dürfen anderseits ihren Kunden nicht vergraulen. 

cc.de: Welche Möglichkeiten sehen Sie, um Marktforschung sinnvoll für das Kommunikations-Controlling einzusetzen?

Batinic: Marktforschung ist und sollte ein wesentlicher Teil von Kommunikations-Controlling sein bzw. ich kann mir ein effektives Kommunikations-Controlling ohne Marktforschung gar nicht vorstellen. Wie will ich beispielsweise feststellen, ob die Mitarbeiterkommunikation effektiv ist, wenn ich die Mitarbeiter hierzu nicht einmal befrage!? 

cc.de: Sie gelten als Begründer der Online-Forschung im deutschsprachigen Raum. Welche Bedeutung nehmen Online-Befragungen gegenüber anderen Befragungsarten ein?

Batinic: Online-Befragungen sind ein wesentlicher Teil des aktuell im Einsatz befindlichen Methodeninventars der Marktforschungsinstitute. Laut ADM (Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V.) werden mittlerweile 36% aller Marktforschungsinterviews mit Hilfe des Internet durchgeführt. Ich selbst beschäftige mich mit der Durchführung von Online-Befragungen seit 1994 und ich war wohl der Erste der im Internet eine Möglichkeit zur systematischen Erhebung von Befragungsdaten gesehen hat. Dass hier eine so dynamische Entwicklung stattfinden wird habe ich nie erwartet.  

cc.de: Welche Entwicklungen auf dem Gebiet der Online-Forschung halten Sie für besonders erfolgversprechend – insbesondere im Hinblick auf Kommunikations-Controlling?

Batinic: Was ich besonders interessant finde ist Marktforschung mit Hilfe von virtuellen Gemeinschaften und Communities. Dabei geht man weg von der einmaligen Befragung und hin zu einem gemeinsamen Dialogprozess, welcher teilweise über mehrere Wochen sich ziehen kann. Ich bin immer wieder über die Fülle von Erkenntnissen überrascht, die man so generieren kann. 

cc.de: Vielen Dank für das Gespräch.



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