Thought Leaders Interview: Tom Watson

Von: Marie-Theres Gohr/ 22.05.2013

Nachdem wir im letzten Teil unserer Interview-Serie mit David Rockland von Ketchum die Praxisperspektive in den Mittelpunkt gestellt hatten, berichtet diese Woche Tom Watson von seinen persönlichen Erfahrungen als Wissenschaftler und Entwicklungstrends. Watson ist Professor für Public Relations an der Bournemouth University in Großbritannien und Mitherausgeber der Fachzeitschrift „Journal of Communication Management“.

communicationcontrolling.de: Professor Watson, wann haben Sie angefangen sich mit Steuerung und Evaluation von Kommunikation zu beschäftigen und warum interessiert Sie gerade dieses Thema?

Tom Watson: Meine Forschung zur Messung und Evaluation von PR habe ich 1992 begonnen. Ich habe damals eine Studie durchgeführt, die sich mit der Einstellung von englischen PR-Praktikern zum Thema PR-Evaluation beschäftigte. Es handelte sich um eine postalische Umfrage unter den Mitgliedern unseres Berufsverbands, des damaligen Institute of Public Relations. Das war in einer frühe Phase meiner Promotion und ich habe versucht, die Mentalität von PR-Praktikern zu verstehen. Jetzt, 20 Jahre später, forsche ich immer noch dazu.

Das vorliegende Interview ist Teil unserer zwölfteiligen Interviewreihe "Thought Leaders in PR Measurement". In dieser berichten Menschen, die die internationale Diskussion im Bereich Kommunikations-Controlling auf den Weg gebracht und in verschiedenen Phasen geprägt haben über ihre persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen. 

cc.de: Warum sind Sie der Ansicht, dass Kommunikations-Controlling heutzutage für Organisationen essentiell ist?

Watson: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die unterschiedlich wichtig sind und aufeinander aufbauen. Grundlage ist immer eine formative Evaluation, weil sie den Fortschritt von PR-Kampagnen und anderen Kommunikationsaktivitäten zeigt. Das gibt PR-Managern die Möglichkeit, taktische Veränderungen vorzunehmen, die Fehlschläge und Erfolge thematisieren. Außerdem können sie sich so auf Herausforderungen vorbereiten, die möglicherweise anstehen. Oberhalb dieser Ebene sind verschiedenste Methoden anzusiedeln, die das Erreichen von Kommunikationsziele messen (Outcome) und die Wertschöpfung von Kommunikation beurteilen (Outflow). Die interessanteste Herausforderung besteht darin, sich mit dem Top-Management in der Organisation auf Methoden zur Beurteilung des Wertschöpfungsbeitrags zu verständigen, die sich nicht alleine auf finanzielle Messgrößen stützen. 

cc.de: Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse und Wendepunkte bei der Beschäftigung mit dem Themenfeld Kommunikations-Controlling?

Watson: Ich habe mich lange von der Ansicht überzeugen lassen, dass die Verbesserung der Evaluationspraxis sowie die Bereitstellung von größeren Evaluationsbudgets durch Auftraggeber und Arbeitgeber befördert werden, wenn die PR die Sprache der Wirtschaft übernimmt. Deshalb habe ich 2004/05 die Nutzung des Begriffs „Return on Investment“ (RoI) bei Wissenschaftlern und Praktikern untersucht. Es kam heraus, dass der Begriff in seiner finanzwirtschaftlichen Bedeutung kaum verstanden wurde. Auch die Wissenschaft hatte den Begriff in der Forschung und ihren Publikationen ignoriert: In über 200 Aufsätzen fanden sich nur ein bis zwei Verweise auf den RoI-Begriff. Der Versuch, die Gunst des Top-Managements mit einer passenden Terminologie zu gewinnen, war meiner Ansicht nach aber eine Sackgasse. Das war für mich ein Wendepunkt in meiner Beschäftigung mit der Thematik: PR muss ihre eigenen Aktivitäten selbst besser erklären und sich nicht der sprachlich begrenzten Terminologie des Managements unterzuordnen.

cc.de: In der internationalen Forschung bestehen immer noch große Diskrepanzen zwischen der Wichtigkeit und der tatsächlichen praktischen Umsetzung von Kommunikations-Controlling. Auch wenn dies kontinuierlich bemängelt wird, scheint sich nichts zu ändern. Glauben Sie, dass es eine Lösung für dieses Dilemma gibt?

Watson: Die Welt hat sich in den letzten 20 Jahren verändert, wenn auch eher schrittweise. Beispielsweise sagte mir in meiner Studie von 1992 ein Interviewpartner: „Die einzige echte Evaluation besteht darin, dass der Kunde zufrieden und glücklich ist und den Vertrag verlängert. Alles andere ist bedeutungslos.“ Solche pragmatischen Ansichten sind sicher auch heute noch weit verbreitet. Aber wir sehen doch, dass sich die Gespräche unter PR-Praktikern weiterentwickelt haben: von der Aussage „es ist nicht möglich“ zu der Frage „wie kann man es auf einfache Art und Weise messen?“. Das ist, um mit Mao zu sprechen, kein riesiger Sprung nach vorne, aber ein Fortschritt auf einer flach ansteigenden Kurve. Es gab einige langfristige und auch gut ausgestattete Aufklärungskampagnen zur PR-Evaluation. Die Resonanz  darauf war aber recht verhalten. Meiner Ansicht nach haben die sieben „Barcelona Principles“, auch wenn sie sehr simpel sind, dazu beigetragen, dass einige Branchengepflogenheiten in Frage gestellt werden  beispielsweise Werbeäquivalenzwerte, die ausdrücklich missbilligt werden. Dadurch wurde die Diskussion zudem stärker auf die Frage nach vailden Methoden gelenkt. Nach mehr als zwei Jahren kann man immer noch konstatieren, dass die „Barcelona Principles“ für die PR wertvoll sind und in der Branche diskutiert werden.

cc.de: Sind Sie der Ansicht, dass es möglich ist internationale Standards zu entwickeln, die die Verbindung von Kommunikation und Organisationszielen und die Evaluation von Kommunikationsaktivitäten ermöglichen? Was sind die Vor- und Nachteile und wer könnte von solchen Initiativen profitieren?

Watson: Die „Kommunikations-Controlling“-Initiative der DPRG und des ICV hat das Potential, zur Grundlage für einen anspruchsvolleren internationalen Standard zu werden. Das Konzept verwendet mit dem Begriff „Controlling“ eine Terminologie, die außerhalb von Zentraleuropa immer wieder missverstanden wird. Aber wenn man das einmal zur Seite schiebt, handelt es sich um ein Konzept, das auf transnationale Organisationen übertragen werden kann. „Die Barcelona Principles“, denen die sogenannten „Valid Metrics“ folgten, sind eine weniger ausgeklügelte Alternative, die zudem überwiegend von den Medienbeobachtungs-Dienstleistern vereinnahmt wurde. Meine Sorge ist es, dass die Branche in starke Vereinfachungen, in sprachliche Formulierungen wie „RoI“ und alte Print-Kennzahlen zurückfällt. Mit den genannten Initiativen gibt es in jedem Fall zwei Ansatzpunkte für die Entwicklung international anerkannter Standards. Ich persönlich hoffe, dass die Idee des „Kommunikations-Controlling“ den Sprung über den Atlantik schafft und Teil der nordamerikanischen Debatte wird.

cc.de: Was ist Ihrer Ansicht nach in Zukunft die größte Herausforderung für das Kommunikations-Controlling?

Watson: Es gibt zwei zentrale Herausforderungen: Zum einen die Entwicklung einer robusten Methodik zur Messung von Social Media und zum anderen die widerspruchsfreie Definition von aussagekräftigen, messbaren Zielen für Kampagnen durch PR-Praktiker. Im Bereich Social Media gibt es ganz viele Daten zur Analyse der Nutzung, aber wenige, mit dem man Outcomes und Wertschöpfung beurteilen kann. In der AMEC werden gerade intensive Diskussionen zur Standardisierung geführt und Ende 2013 ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen. Bei den Zieldefinitionen geht es vor allem um eine bessere Abstimmung von Organisations- und Kommunikationszielen. Deshalb sollten PR-Praktiker enger mit der obersten Managementebene zusammenarbeiten.

cc.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Über Tom Watson

Tom Watson ist Professor für Public Relations an der Bournemouth University, Großbritannien. Bevor er seine wissenschaftliche Laufbahn begann, war Watson international im Bereich Journalismus und PR tätig: Er hat 18 Jahre lang eine PR-Agentur in England geleitet und war von 2000 bis 2002 Vorsitzender der Public Relations Consultants Association in Großbritannien. Forschungsschwerpunkt von Tom Watson sind die PR-Evaluation sowie Reputation- und Issues-Management. Darüber hinaus forscht er zum Thema PR-Geschichte und hat im Jahr 2010 die International History of Public Relations Conference ins Leben gerufen. Watson ist Mitglied des Chartered Institute of Public Relations und Gründungsmitglied der Public Relations Consultants Association. Er hat seinen ersten Studienabschluss 1974 an der Universität New South Wales in Australien erworben und mit einer Arbeit zu Evaluations-Modellen von PR an der Nottingham Trent University promoviert. Tom Watson ist Mitherausgeber des „Journal of Communication Management“; er wirkt zudem als Gastherausgeber für die Fachzeitschriften „Public Relations Review“ und „PRism“.

Literatur-Tipps

Watson, T. (2012a). The evolution of public relations measurement and evaluation. Public Relations Review, 38, 390-398. 

Watson, T., & Zerfass, A. (2011). Return on investment in public relations: A critique of concepts used by practitioners from communication and management sciences perspectives. PRism 8(1). 



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