Neuer Ansatz zur Reputationsmessung

Von: KK / 09.01.10

Prof. Dr. Manfred Schwaiger

Prof. Dr. Manfred Schwaiger, Vorstand des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung an der LMU in München, kritisiert die bislang angewandten Ansätze zur Reputationsmessung. communicationcontrolling.de hat mit ihm über seinen Ansatz, die Schwächen der Konkurrenzanbieter und Anforderungen an die Reputationsmessung gesprochen. Das Interview lesen Sie hier.

communicationcontrolling.de: Herr Prof. Schwaiger, warum ist Reputation für ein Unternehmen so wichtig?

Prof. Manfred Schwaiger: Reputation ist der zentrale immaterielle Vermögenswert eines Unternehmens. Sowohl die Wissenschaft als auch der Großteil der Praxis sind sich darüber einig, dass Reputation ein knappes, wertvolles und nachhaltiges Gut ist, das von Wettbewerbern nur schwer imitiert werden kann. Eine hohe Reputation hat positive Wirkungen auf alle Stakeholdergruppen. Sie führt zum Beispiel zu Präferenzen und Loyalität der Kunden, zu Commitment bei aktuellen und steigender Bewerbungsabsicht bei potenziellen Mitarbeitern sowie zu wünschenswertem Investorenverhalten.

communicationcontrolling.de: Sie sagen, dass der zentrale immaterielle Vermögenswert eines Unternehmens seine Reputation sei. Wie kann man diesen bewertbar machen, um auch das Top-Management und das Unternehmenscontrolling von einer Investition zu überzeugen?

Prof. Manfred Schwaiger: Die Reputation eines Unternehmens hat nicht nur Auswirkungen auf das eben beschriebene Verhalten der verschiedenen Stakeholdergruppen, sondern – basierend auf diesen Wirkungen – auch einen messbaren Effekt auf die finanzielle Performance eines Unternehmens. Wir konnten im Rahmen unserer Forschung u.a. positive Effekte der Reputation auf die Unternehmensgewinne nachweisen und zeigen, dass die Aktien von Reputationsführern regelmäßig höhere Renditen (sogenannte significant buy and hold abnormal returns) am Aktienmarkt erzielen.

Abbildung 1: Reputationsführer DAX-30 (Quelle: Prof. Dr. Manfred Schwaiger)

communicationcontrolling.de: Sie sind im Vorstand des ECRS (European Center for Reputation Studies). Woran arbeiten Sie konkret? Wie wollen Sie das Konzept des "Reputation Capital" und die Wahrnehmung von einer Investition in den Reputationsaufbau als asset und nicht liability voranbringen?

Prof. Manfred Schwaiger: Das ECRS will die Wahrnehmung von Reputation als Kapital der Unternehmung vorantreiben, indem der Fokus auf die zahlreichen, oben erwähnten positiven Outcomes von Reputation gerichtet wird. Reputationsmanagement muss außerdem als Prozess im Unternehmen etabliert werden. Der so genannte "Reputation Management Cycle" sieht als ersten Schritt die Messung der Reputation vor. Im Anschluss muss eine Treiberanalyse durchgeführt werden, damit bestimmt werden kann, durch welche Aspekte die Reputation des jeweiligen Unternehmens beeinflusst wird. Anschließend müssen die Treiber, die als relevant für die Wahrnehmung der Unternehmung in der Öffentlichkeit identifiziert worden sind, bewirtschaftet werden. Die Unternehmenskommunikation spielt hierbei unter Umständen übrigens nur eine moderierende Rolle. Entscheidend kann bspw. die Erhöhung der Produktqualität sein oder die Entwicklung einer guten Corporate Social Responsibility Strategie, aber stets gilt die Devise „create facts, drive perception“. Der Kreis schließt sich mit dem Controlling der Reputation. Haben die implementierten Maßnahmen den erwünschten Erfolg gebracht? Ist die Reputation insgesamt gestiegen? Hier setzen wir erneut am Anfang der Schleife an – bei der Messung.

Abbildung 2: Reputation Management Cycle (Quelle: Prof. Dr. Manfred Schwaiger)

communicationcontrolling.de: Sie kritisieren, dass auf der einen Seite eine Reihe von Ansätzen zur Reputationsmessung auf dem Markt sind, auf der anderen Seite keiner von denen wirklich geeignet sei, den Wertbeitrag von Reputation zu erfassen. Könnten Sie Ihre Kritik bitte konkretisieren?

Prof. Manfred Schwaiger: Viele der vorhandenen Messansätze basieren auf Experteninterviews – nehmen Sie die „Imageprofile“ des Manager Magazins oder Fortune‘s „America’s“ oder „Global Most Admired Companies“ als Beispiel. Dabei stellen Experten keine besonders große oder bedeutende Zielgruppe dar und werden zudem von der Unternehmenskommunikation weniger stark beeinflusst als die breite Öffentlichkeit. Die Reputationseinschätzung der Experten stimmt daher höchstens in wenigen Fällen zufällig mit der der breiten Öffentlichkeit überein. Die von den genannten Journalen befragten Experten (Vorstände und Aufsichtsräte) geben – wenn sie überhaupt für Interviews gewonnen werden können, woran ich gewisse Zweifel habe – bestenfalls Wissen über ein zu evaluierendes Unternehmen preis. Das ist nicht die gleiche Auffassung von Reputation, die wir haben, wenn wir an das Ansehen eines Unternehmens in diversen Stakeholdergruppen denken. Ferner hinaus vernachlässigen die meisten Messansätze die emotionale Komponente der Reputation. Und schließlich beschränken sich zahlreiche Ansätze auf die Messung und liefern keine Ansatzpunkte, wie die Reputation einer Firma verbessert werden kann, sprich: die Treiber von Reputation bleiben unbeachtet. Davon abgesehen lassen sich bei vielen Ansätzen Fehler in der Operationalisierung beobachten.

communicationcontrolling.de: Würden Sie den von Ihnen entwickelten Ansatz der Quantifizierung von Reputation als immateriellen Wert und der Reputationsmessung bitte kurz vorstellen. Inwiefern unterscheidet sich dieser von dem bekannten Ansatz des Reputation Quotient von Fombrun/dem Reputation Institute?

Prof. Manfred Schwaiger: Die eben erwähnten Fehler bei der Operationalisierung der Konstrukte lassen sich am Beispiel des Reputation Quotient von Fombrun gut erklären: Dort werden "gute Produkte und Services" – offensichtlich Treiber der Reputation – mit Aspekten wie "Bewunderung" – definitiv eine Folge, eine Auswirkung von Reputation – vermischt indem simple Mittelwerte über alle verwendeten Indikatoren gebildet werden. Eine Ableitung fundierter Handlungsempfehlungen für das Management ist hier nicht mehr möglich. Zwar berücksichtigt der Reputation Quotient – übrigens als einziger der vorhandenen Messansätze – die affektive Dimension. Allerdings beziehen sich auch hier nur drei von zwanzig Indikatoren auf emotionale Aspekte, was meiner Ansicht immer noch einer Unterbewertung gleich kommt. Mein Ansatz misst Reputation anhand sechs Items, von denen je drei auf die beiden Dimensionen Kompetenz und Sympathie laden. Diese zweidimensionale Struktur kann mit einer Hauptkomponentenanalyse nachgewiesen werden und ist stabil – in zeitlicher Hinsicht sowie über Branchen und kulturelle Grenzen hinweg. Basierend auf diesem fixen Messmodell haben wir ein Erklärungs- bzw. Steuerungsmodell entwickelt, das mit einem vordefinierten Set an potenziellen Treibern arbeitet, das in Abstimmung mit den auftraggebenden Unternehmen an die jeweiligen Spezifika angepasst wird. Die Resultate der Treiberanalyse zeigen, welche Claims für die betrachtete Firma welchen Einfluss auf die Reputation haben und wie die Firma bezüglich dieser Treiber im Vergleich zur strategischen Wettbewerbsgruppe wahrgenommen wird. Das erlaubt die Ableitung klarer Managementempfehlungen, einschließlich fundierter Vorgaben für die Budgetierung.

communicationcontrolling.de: Vielen Dank für das Interview!

Über Prof. Dr. Manfred Schwaiger

Prof. Dr. Manfred Schwaiger, 1963 in Bad Reichenhall geboren, ist seit 1998 Ordinarius für Betriebswirtschaft an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München, die er zudem von 2003 bis 2005 als Dekan leitete. Er ist Vorstand des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung, dessen Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Kommunikationsmanagement, Wirkungskontrolle von Marketinginstrumenten sowie der Messung und Steuerung der Corporate Reputation liegen.

Prof. Schwaiger ist Vorstandsmitglied und war Initiator des kürzlich in München stattgefundenen Symposiums des European Centre for Reputation Studies (ECRS) „Reputation Capital – Building and Maintaining Trust in the 21st Century“. communicationcontrolling.de war bei der Veranstaltung vor Ort. Lesen Sie hier den ausführlichen Report unserer Autorin Kristin Köhler.

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